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11.05.2008

Hallo miteinander,

heute ist der 11.05. und Muttertag. Mein kleiner Schatz ist zwar nicht „sichtbar“, aber ich weiß, dass er gerade heute bei mir ist. Nichts desto trotz wäre es mir anders lieber. Ich würde ihn so gerne knuddeln. Mittlerweile könnte er mit Sicherheit aus dem FF „alles Liebe zum Muttertag“ sagen. Oder „ich hab dich lieb Mama“. Das sind die Dinge, die so sehr fehlen und immer fehlen werden. Die weitere Entwicklung, wie würde er mal aussehen, wie würde er sich im Kindergarten anstellen, oder dann in der Schule… alles Fragen die bleiben werden. Die wir uns im Kopf so beantworten, dass es für uns passt und erträglich ist. Allein nur das Ansehen fehlt. Ich habe ihn oft beim spielen beobachtet und mir sein süßes Gesicht eingeprägt. Oder als er schlief, lag ich neben ihm und war glücklich, dass er mein Sohn ist.
Es war die unglaublichste Zeit in meinem Leben. Aber 3 Jahre, 3 Monate und 9 Tage vergehen verdammt schnell. Justin ist nun über 4 Monate nicht mehr bei uns. Auch diese Zeit ist extrem schnell vergangen. Doch auf der anderen Seite, was sind schon 4 Monate für einen Trauernden. Das ist noch keine Zeit. Der Schmerz wird nie aufhören, er wird irgendwann mal erträglicher, die Lücke wird nie geschlossen werden, wir lernen nur mit ihr besser umzugehen.

René und ich arbeiten seit Mitte März wieder. Das war und ist ein neuer Abschnitt in unserem Leben. Ich habe 1 ½ Wochen früher angefangen zu arbeiten. René wollte erst nach Ostern zur Arbeit gehen, da Ostern eher ein Kinder-Fest ist und er davor auch einfach noch nicht arbeiten konnte.
Ihr fragt euch sicher, wie es uns dabei geht. Unterschiedlich geht es uns dabei.
René sagt dazu, es sei eine andere Welt, er freut sich auf den Feierabend um dann direkt zum Grab von Justin fahren zu können. Er fühlt sich zu Hause einfach wohler. Vielleicht war es für ihn noch zu früh mit der Arbeit zu beginnen. Ich habe das bemerkt, als er vor kurzem 1 Woche Urlaub hatte. Er war fast wie ein anderer Mensch. Zufriedener, nicht so gestresst, er hat sich rundum wohler gefühlt. Und trotzdem ist es gut, dass er sich auf die Arbeit konzentrieren und sie bewältigen kann. Das hätte auch anders sein können, was aber verständlich wäre.

Bei mir war der 1. Tag komisch. Ich wusste ich sehe meine „alten“ Kollegen wieder. Wie werden sie reagieren, wie werde ich reagieren? Ich war sehr gespannt und auch aufgeregt. Der 1. Tag verging sehr schnell. Ich wurde sehr nett empfangen. Die Tage danach wurde ich zügig wieder eingearbeitet. Ich kam schnell in den „Arbeitstrott“ wieder rein. Auch das hätte anders sein können. Ich bin sehr froh darüber, dass es so gut lief und läuft.
Bei mir ist das mit der Arbeit so; ich weiß was ich zu tun habe, wenn ich morgens aufstehe. Ich weiß, ich muss zur Arbeit und bin bis zum Nachmittag dort. Ich bin auf eine Art „aufgehoben“ und quasi den ganzen Tag beschäftigt.
Als Justin bei uns war, hatte ich alle Hände voll zu tun. Er hat mich sehr gefordert. Als er zudem noch erkrankt ist, wurde das ein Stück weit verstärkt. Ich wusste, dass mein kleiner Schatz mich braucht.
Jetzt gehe ich zur Arbeit… Und auch ich fühle mich zu Hause wohler. Hier ist sein Zimmer, in dem es nach wie vor nach Justin duftet, hier ist das Schlafzimmer, in dem er friedlich eingeschlafen ist, seine Decke sowie das Stillkissen, das er bis zum Ende liebte, alles liegt noch immer in unserem Bett. Das sind alles Dinge, die ihn uns näher bringen. Wir fühlen uns ihm näher zu Hause. Was für uns aber auch verständlich ist. René sagt, die Arbeitswelt, sowie die Welt da draußen ist eine andere Welt geworden. Er fühle sich in unserer kleinen Welt wohler. Die besteht aus der Familie und dem engsten Bekanntenkreis. Und natürlich aus Justin. In der Arbeit haben wir (leider) nicht so viel Zeit, um überhaupt an unseren Sonnenschein denken zu können. Natürlich stehen viele Bilder von ihm auf unserem Schreibtisch, aber sich Gedanken zu machen, „wie war das damals“, oder „was würde Justin dazu jetzt sagen“, das fällt uns schwer, dass wir daran während der Arbeit nicht so häufig tun können wie zu Hause. So sind wir aber auch nicht jede Sekunde mit der Trauer konfrontiert.

Auf der anderen Seite würden wir gerne öfters an ihn denken. An die schöne Zeit, die er uns beschert hat, aber auch an die schwere Zeit gegen Ende, gezeichnet von seiner Krankheit. Die aber doch so unglaublich intensiv war. Das ist ein Zwiespalt in dem wir uns befinden. Es gibt kein Falsch oder Richtig. Jeder verarbeitet das Geschehene anders. Jeder einzelne Mensch geht mit der Trauer anders um.
Auch zwischen René und mir gibt es deutliche Unterschiede. Wir haben jedoch gelernt das zu akzeptieren und anzunehmen. Anfangs war es schwierig. Wir werden gut betreut, eine Dame vom Hospiz sagte uns, dass das völlig normal ist. Gerade auch Mütter und Väter gehen mit der Trauer unterschiedlich um.
Deshalb heißt das aber nicht, dass es dem einen deutlich besser geht als dem anderen. Man muss selbst einen eigenen Weg finden, um mit der Situation so gut wie möglich klar zu kommen. Alleine geht das aber auch nicht wie wir finden. Wir sind dankbar über professionelle Gespräche, die uns helfen.

Wir gehen jeden Tag zu Justin ans Grab. Es macht uns Freude, ihm neue Dinge ans Grab zu stellen die er mochte. An Ostern wurde es dementsprechend gestaltet, mit Hasen, Eiern und alles was dazu gehört. Zur Zeit des Frühlingsfestes, bekam er sein eigenes Frühlingsfest mit Karussell und Riesenrad usw.
Und doch wäre es uns lieber wenn er bei uns sein könnte. Andere Väter und Mütter holen ihre Kinder vom Kindergarten ab. Und wir, wir gehen zum Friedhof zu unserem Kind.

Ich weiß, dass wir unser Schicksal irgendwie annehmen müssen. Es gelingt uns zwar einigermaßen, dennoch gibt es Phasen, in denen es sehr schwer ist. In diesen Phasen hadern wir mit unserem Schicksal. Wir sehen viele andere glückliche Familien und fragen uns, „warum wir“? Hätte es nicht gereicht, dass Justin schwer erkrankt ist? Wieso musste er von uns gehen? Wir hatten durch seine Krankheit schon einiges gelernt.
Ich suche immer nach Antworten, mit denen ich irgendwie zurechtkomme.
René und ich mussten wohl diese Erfahrung in diesem Leben machen. Wir müssen lernen damit umzugehen und zu leben. Das ist eine schwere Last, die wir da mit uns tragen müssen. Für uns gibt es nichts schlimmeres das einem passieren könnte. Sein eigenes Kind zu verlieren.
Wir sind nicht die einzigen, die damit zurechtkommen müssen. Wir haben einige Familien in der Zeit in der wir im Krankenhaus waren kennengelernt. Auch davon gibt es Familien, die das gleiche Schicksal haben.
Das ist die Erfahrung die wir in unserem Leben machen müssen. So hat jeder sein „Päckchen“ zu tragen. Für jeden ist das eigene Schicksal das schlimmste….

Justin hat mir persönlich viel beigebracht. Ich sehe viele Dinge anders als früher. Ich lebe viel bewusster. Ich habe nun auf einer anderen Ebene eine Beziehung zu Justin. Ich spreche mit ihm. Manchmal in Gedanken, manchmal auch laut. Und ich bin mir sicher, dass er das hört und mit uns in einer anderen Weise kommuniziert. Er besucht uns nachts (zumindest nehme ich ihn gerade nachts sehr intensiv wahr), nicht häufig, aber ich weiß, er ist in unserer Nähe. Leider nicht mehr körperlich, nicht mehr visuell. Ich würde ihn so gerne in meine Arme schließen. An ihm riechen, ihn beim Schlafen beobachten.
Und doch bin ich überzeugt davon, dass Justin weiterhin bei uns ist.
Es sind jetzt auch „nur“ die kleinen Dinge, auf die ich mich freue. Es ist das Beisammen sein mit der Familie. „Die kleine, unsere Welt“. Es ist ein schöner Himmel, den Justin für uns so schön gemacht hat, wie ich mir dann immer sage, es ist einfach die Tatsache, dass ich sehr viele Dinge bewusster wahrnehme.

Ich möchte euch eine kleine Geschichte erzählen, die meiner Schwiegermama passiert ist.
Sie war kürzlich bei Justin am Grab, war vom Auto auf dem Weg zum Grab. Da sah sie ein Eichhörnchen sitzen. (Am Friedhof gibt es 3 Eichhörnchen, wir legen für sie öfters Nüsse an Justins Grab.) Das Eichhörnchen sah meine Schwiegermutter an. Sie sagte zu ihm „lauf, bei Justin am Grab liegen Nüsse für dich bereit“. Das Eichhörnchen lief los. Zu Justins Grab, schnappte sich eine Nuss und rannte damit weg. Auf einem Baum knackte es die Nuss….

Das ist eine Geschichte die uns alles sehr fasziniert. Auch damit meine ich das bewusster leben. Viele von euch denken sicherlich, das war nur Zufall. Für uns ist das jedoch kein Zufall. Das ist die Realität. Es gibt im Alltag sehr viele kleine Dinge, die uns auf unseren Justin aufmerksam machen. So wird Justin immer bei uns bleiben. Durch die Aufmerksamkeiten im Alltag und die Erinnerungen die wir haben.

Und doch muss das Leben irgendwie weiter gehen. Es ist jedoch verdammt schwer. Unsere Welt hat sich für einen Moment aufgehört zu drehen. Während für die anderen das Leben ganz normal weiter ging. So ist es teilweise auch jetzt noch. Uns kommt es manchmal auch so vor, dass manche Menschen denken, die zwei gehen wieder arbeiten, es ist bereits eine bestimmte Zeit verstrichen nach Justins Entschlafen, also muss es ihnen doch gut gehen.
Das ist aber nicht so. „Gut gehen“, das ist so ein Begriff. In der jetzigen Zeit ist es doch so, dass man ein Gespräch mit „wie geht’s“ beginnt. Man erwartet immer die Antwort „gut“. Wenn dann jemand mal „schlecht“ antwortet, ist der gegenüber völlig perplex.
Wir arbeiten zwar wieder, lachen auch miteinander, aber das heißt noch nicht, dass es uns wieder gut geht.

Wie ihr bestimmt mitbekommen habt, ist die liebe Anne-Katrin nun auch bei Justin und all den anderen Lieben die uns vorausgegangen sind. Anne-Katrin, stets fröhlich und gut gelaunt. Trotz der schweren Krankheit. Auch Justin war so. Bestimmt haben sie sich deshalb so sehr gemocht. Immer wenn ich an die beiden denke, verbinde ich das mit Freude, Glück und voller Liebe. Ich bin fest überzeugt, dass es den beiden gut geht.

Mit jedem Tag, der verstrichen ist, sind wir Justin ein Stückchen näher...

Nach wie vor finde ich es beeindruckend, wie viele Menschen an uns und Justin denken! Vielen Dank dafür. Auch das gibt uns Kraft, Kraft weiter zu leben, so gut es geht.

Ich möchte mich jetzt auch noch bei ganz bestimmten Menschen bedanken, die immer für mich da sind.

Natürlich bei der lieben Familie, vielen Dank, dass ihr uns so gut auffangt…

Marion, danke für die wundervollen Gespräche. Es ist schön, dass es dich gibt. Freue mich schon auf
das nächste Treffen mit Dir.

Cindy, täglich bist du bei Justin am Grab, meist auch 2x am Tag. Vielen Dank dafür. Ich weiß, dass ich immer auf dich zählen kann. Das ist ein schönes Gefühl.

Sabrina und Birgit, vielen Dank für euer Verständnis. Auch auf euch kann ich immer zählen.

Fr. Snoppek, danke dass sie sich auch jetzt noch Zeit für mich nehmen. Sie gehören nun zu meinem Leben dazu.

Fr. Graser, auch ihnen ein Danke für alles was Sie für uns geleistet haben. Auch Sie nehmen sich jetzt noch Zeit für mich. Danke dafür.

Fr. Roos, es ist schön mit Ihnen Gespräche zu führen. Diese helfen uns sehr. Danke.

Pfarrer Sturm, sie sind ein wundervoller Mensch.

Und zu guter Letzt möchte ich Dir liebe Sandra (aus Jeßnitz) danken. Ich finde es schön, dass wir uns kennengelernt haben. Du kanntest uns nur aus dem Fernsehen und unserer Homepage. Und trotzdem hast Du Blumen für Justin geschickt, uns mit Büchern „versorgt“ und bist aus dieser weiten Entfernung für uns da. Das ist wirklich unglaublich.
Vielen herzlichen Dank!

Danke an euch alle, auch an die, die ich jetzt vielleicht nicht persönlich benannt habe!!! Wir wissen, dass wir auf jeden von euch immer zählen können.

Viele liebe Grüße
Isabella, René und immer in unserem Herzen Justin

Grab_1

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© D.Wojtaschek