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07.02.2008

Hallo alle zusammen,

5 Wochen sind vergangen nach meinem letzten Eintrag. In diesem Monat hat sich unser Leben komplett verändert.

Wir mussten den Menschen, den wir über alles lieben, gehen lassen.

Ich habe mir überlegt, euch zu erzählen, wie Justin seine letzten Tage verbracht hatte.

An Heiligabend hat Justin seine Großeltern und seinen Onkel Dari nochmals zusammengetrommelt.
Er wollte, dass sie alle am frühen Mittag kommen. Für ihn war es wichtig mit allen zusammen zu sein. An diesem Tag ging es ihm nicht so gut. Er sagte oft "aua" und "Knöpfle drücken".
Als wir das Knöpfle drückten, bekam er eine Dosis Morphin zusätzlich. Das wusste er und verlangte an diesem Tag oft danach. Er wollte auch öfters vom Wohnzimmer, in dem alle zusammen saßen, ins Schlafzimmer, um auszuruhen oder ein bissl zu schlafen. Aber die Großeltern und Dari durften nicht gehen. Sie sollten teilweise sogar mit ins Schlafzimmer. Als es um die Bescherung ging, raffte er sich auf, ein Geschenk auszupacken. Im ersten Päckchen kam eine Kasse samt Laufband und Mikrofon für seinen Kaufladen zum Vorschein. Damit spielte er längere Zeit. Nach dem zweiten Geschenk reichte es ihm. Er wollte selbst keine Geschenke mehr auspacken. Dabei lagen noch jede Menge unterm Weihnachtsbaum für ihn.

Am letzten Tag im Krankenhaus fragte ihn die Erzieherin "Eva", was er sich vom Weihnachtsmann wünsche. Justin antwortete, "im Geschenk wird ein Baby drin sein. Ein richtiges, dem man das Fläschen geben kann, das weint....". Diese Aussage hat mich sehr berührt. Ich wusste schon länger, dass er ein Baby haben möchte. Wohl ein Geschwisterchen. Mir wurde mitgeteilt, dass Eva aus dem Krankenhaus sowie andere von der Aussage Justins fasziniert waren. Er gibt quasi noch vor, was Mama und Papa zu erledigen haben...
Diesen Wunsch konnten wir ihm leider in der kurzen Zeit nicht erfüllen. Das habe ich ihm auch ganz ehrlich erklärt.

An den Tagen nach Heiligabend schlief Justin zunehmend. Aber er wollte tagsüber im Wohnzimmer liegen, bzw. bei Mama und Papa abwechselnd auf dem Schoß sitzen und Fernseh gucken.

Justin hatte seit November Schnupfen. Dieser verschlimmerte sich zum Ende zunehmend.
Dadurch atmete er nur noch durch den Mund. Ab dem 04.01. wurde die Atmung extrem laut und Justin war arg angestrengt. Aber auf seinen Schnulli verzichtete er nach wie vor nicht. Der ist seit seiner Erkrankung zum Tröster geworden. Er war sehr schreckhaft, wenn wir uns ihm zu schnell genähert haben. Auch abweisend. Er drückte uns regelrecht weg. Heute ist mir klar, dass er vorab schon etwas auf Abstand gehen wollte, weil er sehr gut wusste, dass Mama und Papa bald ohne ihn auskommen müssen.

Ein paar Tage bevor Justin von uns gegangen ist, befand sich unser kleiner Spatz überwiegend im Dämmerschlaf. Er schüttelte oft den Kopf und sagte "nein", ab und an "ja". Ich denke einfach, dass er bereits kommuniziert hat...
Zu dem Zeitpunkt war er noch nicht bereit zu gehen. Er musste noch etwas abwarten bis er letztendlich bereit war.

Obwohl Justin körperlich bereits sehr geschwächt war, stand er zum Pipi-machen immer auf. Da hat er nochmals all seine Kräfte mobilisiert. Beeindruckend.

Am Samstagmittag kam noch seine Uroma zu Besuch, die bis dato selbst im Krankenhaus lag. Sein geliebter Onkel Joog durfte natürlich auch nicht fehlen.

Am 05.01.08, dem letzten Abend, sagte mein Liebling, er möchte zu Mama. Er saß bei mir auf dem Schoß, atmete angestrengt, ich wippte ihn hin und her und versuchte ihn damit ein wenig zu beruhigen. Das war noch einmal so ein schönes Gefühl, ihn so nah spüren zu dürfen. Die Tage davor hat er es nicht zugelassen.

Die Nacht vom 05.01. auf den 06.01. war sehr unruhig. Besser gesagt Justin war unruhig. Er wälzte sich hin und her. Mal drehte er sich zu mir, 2 min später zu René. Wir konnten nicht schlafen, auch weil die Atmung lauter war denn je. Er stand in dieser Nacht noch 2x hin um Pipi zu machen. Ich gab ihm 3 Bolis (Morphin extra) und bin mit der Grundrate des Morphins hoch gegangen. Das hat mir am Abend eine Ärztin aus Tübingen geraten, weil Justin durch das Atmen sehr unruhig war und Herzrasen hatte. Mit mehr Morphin konnte sich Justin etwas entspannen. Gegen 03:30 Uhr wollte unser Sonnenschein raus. Also nahm ich ihn hoch, René die Schläuche vom Infusionsständer und wir gingen aus dem Schlafzimmer raus. Justin zeigte auf sein Zimmer. Anschließend auf sein Bettchen. Er wollte noch einmal reinlegen.
René und ich machten uns schon Gedanken, möchte er vielleicht in seinem Bettchen die letzten Tage verbringen oder einfach von seinem Zimmer Abschied nehmen? Nach 5 min sagte Justin, dass er wieder ins Schlafzimmer möchte. Das Spielchen kannten wir ja....
gesagt, getan....
Wir haben uns alle 3 hingelegt. Justin drehte sich zu mir, umarmte mich, wie er das sonst beim einschlafen immer tat. Danach wandte er sich seinem Papa zu und tat dasselbe. Gegen halb 5 schliefen René und ich erschöpft ein. Tief und fest......

Um 7 Uhr wachte René auf. Justin atmete nicht mehr. Er muss zwischen halb 5 und 7 Uhr friedlich eingeschlafen sein...
Justin lag waagerecht zwischen uns. Mit seinem Kopf an meinem Bauch und mit seinen Füßen an Papas Bauch. Er muss sich so hingedreht haben ohne dass wir es merkten. Justin hat Mama und Papa verbunden! Er hat gewartet bis Mama und Papa tief schlafen, erst dann machte er sich auf den Weg in den Himmel.

Es ist einfach nur bewundernswert, wie sich dieser kleine Mann alles zurecht gelegt hat, um dann Abschied zu nehmen.

Wir haben sehr viel von Justin gelernt. Er hat uns einiges mit auf unseren weiteren Weg gegeben. Unser Leben ist jetzt anders. Unser Sohn hat uns die wichtigen Dinge des Lebens gelehrt... Justin ist körperlich nicht mehr anwesend.

Doch wir sind uns sicher, dass er immer dann bei uns ist, wenn wir es möchten. In unseren Herzen wird er für immer bleiben. Er passt auf uns auf und schickt uns Kraft, die wir zum weiteren Leben brauchen.

Es gibt sehr viele Tage, an denen wir Justin einfach nochmal in den Arm nehmen möchten...
doch leider geht das nicht.

Justin, DANKE für alles! Danke für die kostbare Zeit mit dir.
Danke, dass du unser Leben mit deiner Fröhlichkeit verzaubert hast. Und das trotz deiner Krankheit.
Danke, dass wir deine Eltern sein durften.
Du bist das Beste was uns passieren konnte.....
Wir lieben dich für immer und ewig.

Justin war knapp 1 1/2 Jahre krank. Doch diese Krankheit hat man ihm nicht angemerkt (bis auf die Kleinigkeit, dass ihm seine Haare ausgefallen sind). Die ersten 6 Wochen nach Diagnose der ALL ging es ihm nicht so gut. Doch danach steckte er eine Chemo nach der anderen ganz locker weg. Er war stets fröhlich und wollte alles entdecken was es zu entdecken gab. Hätte man von Justins Krankheit nichts gewusst, ihn aber beim spielen und herumtollen beobachtet, wäre man nie auf die Idee kommen, dass dieses Kind Leukämie haben könnte. Die Transplantation war für Justin ein Kinderspiel, trotz der hochdosierten Chemo stand er jeden Tag zum spielen hin. Wir haben mit unserem Sonnenschein sehr viel unternommen, von Müdigkeit - keine Spur. Justin war jeden Tag top fit. Wozu auch viel schlafen....

Ein ganz herzliches Dankeschön allen, die unseren Sonnenschein
JUSTIN

in seinem kurzen, aber sehr intensiven Leben bis zur Trauerfeier liebevoll und aufrichtig begleitet haben. Schon während Justins Krankheit waren wir von der Hilfsbereitschaft und der überwältigenden Anteilnahme zutiefst beeindruckt. Es ist schön zu wissen, dass viele Menschen an uns denken und mit uns fühlen. Danke für den seelischen und persönlichen Beistand; die tröstenden Worte, gesprochen oder geschrieben; für einen Händedruck, wenn Worte fehlten; für alle Zeichen der Liebe und Freundschaft; für ein stilles Gebet. Die verschiedenen Formen der Zuwendung sind uns ein Trost und Halt in den schweren Stunden.

Dafür bedanken wir uns von ganzem Herzen.

Viele Grüße
Isabella und René

Es kamen bereits ein paar Anfragen bezüglich der Filmbeiträge. Onkel Dari arbeitet jeden Tag daran. Das scheint sehr kompliziert zu sein und er braucht noch etwas Zeit. Wir bitten um Verständnis. Eure Geduld wird bald belohnt.

Danke.